Nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften im nördlichen Ostpreußen, dem heutigen Kaliningrader Gebiet, Zehntausende Kinder um ihr Überleben, manche zusammen mit ihren Müttern, viele ganz auf sich gestellt. Schließlich flüchteten sie vor dem drohenden Hungertod ins benachbarte Litauen. Dort bettelten sie bei Bauern um Essen und Obdach. Wer keine dauerhafte Aufnahme fand, zog monate- oder gar jahrelang durch die Gegend. Die Kinder verloren sich dabei aus den Augen. Später nannte man diese Mädchen und Jungen auch „Wolfskinder“.
Anja Bilabel liest im Folgenden aus den autobiografischen Erinnerungen zweier Überlebender, Annemarie Kiuzauskas und Brigitte Trennepohl, einige Ausschnitte. Sie schließt mit einer kurzen Szene aus dem Roman „Mein Name ist Maryte“ des litauischen Autors Alvydas Slepikas. Aus der Vogelperspektive wird man Zeuge, wie elternlose Kinder die zugefrorene Memel überqueren wollen.
Anja Bilabel ist Künstlerin, Schauspielerin und Sprecherin. Sie wuchs in Berlin auf. Nach dem Schauspielstudium hatte sie Festengagements am Thalia Theater Halle, am Schauspielhaus Zittau und am Wolfgang-Borchert-Theater Münster. Zudem widmet sich Anja Bilabel ihrer Arbeit als Sprecherin im Funk- und Synchronbereich.
Als Hörstückmacherin arbeitet sie für Gesellschaften, Vereine, Galerien und Theater und konzipiert Lesungen, literarische Themen- und Autorenabende. Anja Bilabel hat bislang rund 55 Programme geschrieben und arrangiert. 2008 gründete sie das Hörtheater "Lauschsalon", welches sie bis heute leitet. In besonderen Live-Events zum Thema „Wolfskinder“ führt sie 2021 und 2022 verschiedene Erzählungen, Gedichte und Zeitzeugenerlebnisse auf (Kontaktmöglichkeit: info@lauschsalon.de).
Die Einlesung aus dem Roman „Mein Name ist Maryte“ wurde Anja Bilabel vom Mitteldeutschen Verlag freundlicherweise gestattet.