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Offener Brief an die Spätaussiedler

Hannover, 18. März 2022



Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Aussiedler und Spätaussiedler,


in Niedersachsen leben mehr als 350.000 Deutsche, die aufgrund ihres gesetzlich verankerten Kriegsfolgeschicksals aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion zu uns umgesiedelt sind.

Sie haben über Generationen hinweg und auch in schwierigsten Zeiten das klare Bekenntnis zu Ihren deutschen Wurzeln aufrechtgehalten. Viele Jahre war es in der Sowjetunion verboten die deutsche Sprache zu sprechen. Das führt bis heute dazu, dass viele Spätaussiedler in den Herkunftsländern gezwungen sind, ihre Deutschkenntnisse aufzufrischen, um den für das Aufnahmeverfahren erforderlichen Sprachtest zu bestehen. In den letzten Jahren kamen immerhin noch jährlich bis zu 7000 Spätaussiedler mit ihren Familien nach Deutschland. Der ungebrochene Zuzug der Spätaussiedler macht deutlich, dass die Politik weiterhin in der Verantwortung stehen muss, diesen deutschstämmigen Menschen eine Aufnahme bei uns im Rahmen des Bundes-vertriebenengesetzes zu ermöglichen.

In diesen Tagen blicken wir alle mit Entsetzen auf den schrecklichen und menschenverachtenden Krieg in der Ukraine. Ein Krieg, der mit nichts zu rechtfertigen ist und unsagbares Leid über die Menschen in der Ukraine bringt. Ein Krieg, der allein von Putin ausgeht und gegen den sich immer mehr Menschen in Russland öffentlich stellen, obwohl ihnen dadurch eine Inhaftierung droht. Doch bevor Putin seinen Angriffskrieg gestartet hat, tobte längst ein Medienkrieg, durch den er weit über die Grenzen Russlands hinaus eine unvorstellbare Propaganda verbreitet hat. Leider sind die propagandistischen Nachrichten aus Russland bis zu uns durchgedrungen und haben in Teilen unsere russischsprachige Bevölkerung beeinflusst. Wurde in den letzten Monaten auch hier und da den von Putin gesteuerten russischen Medien Glauben geschenkt, stelle ich doch jetzt immer öfter fest, dass sich die hier lebenden russischen Staatsangehörigen und Russlanddeutsche von den Machenschaften Putins distanzieren und den völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine scharf verurteilen. Viele der hier lebenden russischen Staatsangehörigen und Deutschen aus Russland haben Freunde und Verwandte in Russland und in der Ukraine, um die sie sich angesichts des Krieges sorgen. Ich bin mir sicher, dass das russische Volk keine Schuld an diesem grausamen Krieg trägt – es ist allein Putins Krieg!

Dieser Krieg mit seinen verheerenden Folgen trifft die Menschen in der Ukraine, er trifft aber auch das russische Volk, Europa und weite Teile der ganzen Welt. Daher muss dieser Krieg bald ein Ende finden. Wir müssen gemeinsam unsere demokratischen Werte und das Streben nach Frieden und Versöhnung im Blick behalten.

Leider stelle ich fest, dass vereinzelt russischsprachige Menschen bei uns in Niedersachsen aufgrund von Putins Angriffskrieg ausgegrenzt, bedroht und angegriffen werden. Ich verurteile diese Übergriffe ausdrücklich und appelliere an alle Niedersachsen, sich klar von jeglicher Form der Diskriminierung unserer russischen Staatsbürger und der Deutschen aus Russland zu distanzieren. Wir müssen gerade in dieser Zeit zeigen, dass eine demokratische Gesellschaft von Zusammenhalt und Menschlichkeit getragen wird.
Wir müssen jedoch auch darauf achten, dass durch sogenannte „Fake News“ in sozialen Netz-werken vorgetäuschte Angriffe auf Menschen mit einem russischen Migrationshintergrund verbreitet werden. Wir müssen jedem belegbaren Vorfall sorgsam nachgehen, dürfen uns jedoch nicht zum Handlanger derer machen, die durch manipulierte Darstellungen und fasche Meldungen im Netz einen Keil in unsere Gesellschaft treiben wollen.

Es berührt mich sehr, wie enorm groß die Hilfsbereitschaft so vieler Deutscher aus Russland und die der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland gegenüber den Menschen in und aus der Ukraine ist. Viele Russlanddeutsche bieten Unterkünfte an und beteiligen sich an Spendenaktionen. Die Landmannschaft steht den hier ankommenden Deutschen aus der Ukraine und auch den ukrainischen Flüchtlingen in der Migrationsberatung hilfreich zur Seite. Auch dort werden Sach- und Geldspenden gesammelt und Wohnraum vermittelt. Das Engagement ist riesengroß und zeigt, dass man in der Not zusammensteht. Für diesen beeindruckenden Einsatz bin ich persönlich und als Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler allen Helferinnen und Helfern von Herzen dankbar.

Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschen in und aus der Ukraine da sein.
Lassen Sie uns gemeinsam für den Frieden in der Ukraine, im Herzen Europas, eintreten.
Verlieren wir nie aus den Augen, wie wertvoll unsere demokratische Freiheit ist.

Herzliche Grüße


Ihre

Editha Westmann

Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Verbindungsbüro zur Niedersächsischen Landesbeauftragten für Heimatvertriebenen, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler

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